German Council Magazin 03.2018 - page 30

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GCM 3/2018
GERMAN COUNCIL . HANDEL UND WERBUNG
KNALLIGES DESIGN, FLOTTER SPRUCH
Klassische Reklame funktioniert nicht mehr, seit das Internet die Welt radikal verändert hat.
Erfolgreiches Marketing muss heutzutage unterhalten, informieren – und auch klar Stellung
beziehen. Das nutzen immer mehr Unternehmen, um soziale Veränderungen anzustoßen und
sich für den Erhalt der Natur zu engagieren
Berlin-Kreuzberg: Gutbürgerlich, kinderreich,
begehrter Szenekiez bei jungen Familien. Wer
könnte hier besser eine Heldin sein als eine
junge Mutter. Eine wie Caroline Rosales, cle-
ver, selbstbewusst, mit eigenem Mama-Blog
im Internet – und dem Drang, die Welt zu ver-
ändern. Mit einer Online-Petition ist ihr das
ein kleines bisschen gelungen.
Genervt von den mit Süßigkeiten gefüllten
»Quengelzonen« vor den Supermarkt-Kassen
startet die Mutter des inzwischen siebenjähri-
gen Maximes vor einigen Jahren einen Aufruf
im weltweiten Datennetz. Mit Erfolg. Das Le-
bensmittelgeschäft in ihrer Nachbarschaft
führt daraufhin Familienkassen ein – ohne
Kaugummi, Schokolade und Gummibärchen
als Lockmittel für die Wartenden. Für Rosales
ist ihr bestandener Kampf nicht nur ein Sieg
»für die Macht der kleinen Konsumenten«,
sondern vor allem für die Gesundheit der Kin-
der: Essen sie weniger Süßes, »werden sie spä-
ter nicht so dick.«
»Quengelware« ad
Für die Hersteller typischer »Quengelware«
hingegen ist der Erfolg der jungen Mutter ein
weiterer Schritt auf einem steinigen Pfad. Ihre
Umsätze in den Wartezonen vor den Kassen
schrumpfen seit Jahren. Der Grund dafür ist
das Smartphone. Als Apple 2007 mit dem iPho-
ne das erste »schlaue Telefon« mit Multitouch-
Oberfläche herausbringt, geht es abwärts mit
dem Geschäft. »Wenn die Menschen vor den
Kassen in der Schlange stehen, schauen sie
nicht mehr auf die Warenpräsentation, son-
dern nur noch auf ihre Smartphones«, sagt Ma-
thias Dosne, Generaldirektor des US-Lebens-
mittelkonzerns Mondelez in Frankreich.
Am deutlichsten ablesen lässt sich das an den
Zahlen der Kaugummi-Hersteller, deren Ware
fast ausschließlich direkt im Kassenbereich
platziert wird. Verbuchten sie bis vor elf Jahren
kontinuierlich Umsatzsteigerungen, ist ihr Ab-
preußischen Hauptstadt seine ersten Anschla-
gesäulen aufstellt, auf denen nun Werbebot-
schaften über große Plakate verbreitet werden
können, noch als mit der Erfindung des Kinos
satz nach einer Studie der Marktforschungsge-
sellschaft Euromonitor International seither
um 15 Prozent gesunken. Schuld daran seien
jedoch nicht nur die neue Technik, sondern
auch die Produzenten, heißt es beim Schweizer
Supermarkt-Betreiber Valora. Angebot und
Werbung der Hersteller von Quengelwaren sei-
en »nicht sehr innovativ«, sagt Unternehmens-
sprecher Kilian Borter.
Der Marlboro-Mann:
Kippe im Mund, Loch im Schuh
Seit mit den bürgerlichen Revolutionen gegen
die Monarchien von 1848 in zahlreichen euro-
päischen Staaten die Pressefreiheit errungen
wird, basiert Werbung gut 150 Jahre lang auf
dem immer gleichen Prinzip: Hersteller prei-
sen mit großen Bildern und kurzen Texten in
Anzeigen ihre Produkte an und versuchen Kon-
sumenten so zum Kauf zu bewegen. Daran än-
dert sich weder etwas als der Berliner Drucke-
reibesitzer Ernst Litfaß 1854 in der damaligen
Die Anzahl an »Quengelware« in den Wartezonen vor den Kassen schrumpft beständig
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