German Council Magazin 03.2018 - page 34

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GCM 3/2018
GERMAN COUNCIL . INTERVIEWS
»KLASSISCHE WERBUNG
FUNKTIONIERT IMMER NOCH ...«
Im Gespräch mit dem Werbespezialisten Sven Dierks von der Hochschule für Medien,
Kommunikation und Wirtschaft in Frankfurt/Main. Über den enormen Zuwachs der mobilen
Werbung, das Teenie-Idol Justin Bieber und warum die südkoreanische Automarke Daewoo
auf dem deutschen Markt nicht erfolgreich sein konnte
Herr Dierks, wann haben Sie das letzte Mal an
einer Supermarktkasse gestanden?
Das war gestern.
Ist Ihnen im Kassenbereich etwas aufgefallen?
Neben dem Band, auf das man alles legt, was
man kaufen möchte, gab es einen Zigaretten-
automaten, und dann habe ich noch das Kau-
gummi gesehen.
Das dürfte die Kaugummihersteller freuen.
Die haben nämlich enorme Probleme mit dem
Absatz ihrer Waren, seit vor allem Kinder und
Jugendliche an den Kassen anstatt auf das An-
gebot im Kassenbereich zu schauen, also auf
die vor allem von Müttern gefürchteten soge-
nannten Quengelzone, lieber auf ihr Smart-
phone starren. Die Hersteller sprechen von
Umsatzeinbrüchen von rund 15 Prozent ...
Das war mir nicht bekannt, wundert mich aber
auch nicht. Das Smartphone ist ein Aufmerk-
samkeitsräuber. Ohne dass ich es zurzeit schon
belegen kann, – was hoffentlich bald der Fall
sein wird, wenn wir es wissenschaftlich unter-
sucht haben – bündelt das Smartphone sehr
ist der Anteil mit 360 Millionen Euro immer
noch sehr viel geringer als etwa die Fernseh-
werbung mit sechs Milliarden Euro. Und selbst
die Zeitungen liegen noch bei fast einer Milliar-
de – übrigens haben beide Medien im vergan-
genen Jahr wieder Zuwächse erfahren. Laut
den aktuellen Daten des Mess- und Datenana-
lysedienstes Nielsen haben die Zeitungen bin-
nen eines Jahres ein Plus von 2,5 Prozent er-
wirtschaften können, die Fernsehwerbung ein
Plus von 1,37 Prozent. Das klassische Internet
hat in demselben Zeitraum 6,37 Prozent verlo-
ren und liegt bei rund einer Milliarde Euro.
Dass Internetwerbung eher schlecht als recht
funktioniert, ist ja schon länger bekannt. Sind
die Verluste in diesem Bereich darauf zurück-
zuführen, dass die Karawane weiterzieht – in
Richtung mobile Werbung?
Die Nutzung steigt beim mobiler Nutzung ge-
waltig. Hier folgt die Werbung tatsächlich den
Nutzern.
Mobile Werbung arbeitet mit Unterbrechun-
gen, indem sie immer mal wieder irgendwo
aufploppt, was die meisten Benutzer nervt.
Wie sinnvoll ist solche disruptive Werbung
grundsätzlich – vor allem vor dem Hinter-
grund, dass eine Businessanzeige den Betrach-
ter immer noch bis zu 30 Sekunden lang fes-
seln kann?
Zumindest ist die mobile Werbung besser ge-
worden. Die Kunst besteht darin, dass sie sicht-
bar ist ohne zu nerven. Die wenigen Studien,
die es dazu gibt, belegen die Werbewirkung
auch in unteren Kontaktbereichen. Es ist viel
schwerer, mobile Werbung auszublenden.
Sir Martin Sorell, Vorstand einer britischen
Werbeholding, hat schon vor rund 14 Jahren
gefordert, dass Werbung besser, unterhaltsa-
mer und verführerischer werden muss. Eine
berechtigte Forderung?
viel mehr Aufmerksamkeit als es beispielswei-
se eine Tageszeitung kann. Wenn man darin in
der U-Bahn blättert oder die Seite umschlägt,
nimmt man sicher noch mehr von seiner Um-
gebung wahr, als wenn man sich in das Smart-
phone vertieft, wo ständig etwas passiert, auf
das ich reagieren kann oder muss – je nach-
dem, wie man es betrachtet. In der Tat bin ich
aber gefesselter als ein Zeitungsleser. Das ist
natürlich schlecht für die Werbung im öffentli-
chen Raum. Allerdings darf man nicht verges-
sen, dass zurzeit gerade die Plakatwerbung ei-
nen neuen Boom erfährt.
Wie lässt sich das erklären?
Anscheinend ist es bei vielen Kampagnen
wichtig, Präsenz zu zeigen.
Die Fachwelt lässt uns indes glauben, dass
klassische Werbung nicht mehr funktioniert.
Wie steht es damit?
Die klassische Reklame wirkt nach wie vor. Wir
wissen, dass Fernsehspots noch genauso gut
funktionieren wie eh und je. Auch Zeitschrif-
tenwerbung erreicht noch viele Leser und da-
mit potenzielle Kunden für Produkte. Das wirk-
liche Problem ist vielmehr, dass sich immer
mehr Menschen aus dem Wirkungsbereich der
klassischen Medien zurückziehen. Junge Men-
schen lassen sich kaum mehr von einem Fern-
sehprogramm diktieren, wann sie was zu sehen
haben. Sie wenden sich anderen Möglichkeiten
zu, wenn sie einen Kinofilm sehen wollen und
warten nicht darauf, dass er um 22:15 Uhr ge-
zeigt wird.
Dennoch verlieren Funk, Fernsehen und Zei-
tungen seit vielen Jahren Werbeeinnahmen.
Wie dramatisch ist es inzwischen?
Tatsächlich wächst die mobile Werbung enorm
– wenn wir jeweils die Zeiträume Januar bis
Mai 2017 und 2018 vergleichen: von 2017 auf
2018 legte sie um fast 66 Prozent zu. Dennoch
© Joe Bielawa – wikimedia.org
Justin Bieber
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