German Council Magazin 03.2018 - page 31

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GERMAN COUNCIL . HANDEL UND WERBUNG
und später des Fernsehens die Zeit der Werbe-
filme beginnt, bei denen nun bewegte Bilder
untermalt von gesprochenem Text die Auf-
merksamkeit der Zuschauer fesseln sollen.
Das Prinzip bringt der britische Illustrator Fred
R. Barnard in einem am 8. Dezember 1921 in der
Fachzeitschrift der englischen Werbebranche
Printer’ Ink erschienenen Beitrag in einem Satz
auf den Punkt: »Ein Bild sagt mehr als tausend
Worte.« Zeichnungen und Photos sollen positi-
ve Emotionen beim Betrachter wecken. Spärlich
hinzugefügte Worte die Namen von Hersteller
und Produkt in seinem Unterbewusstsein veran-
kern, damit sie dort bei späteren Kaufentschei-
dungen abgerufen werden können.
In den 1960er Jahren werden in Europa und
Nordamerika in kombinierten Kampagnen aus
Fernsehspots und Printanzeigen in Zeitungen
und Magazinen Werbe-Ikonen geschaffen, die
bald selbst zu Attraktionen geworden sind: Der
Marlboro-Mann treibt hoch zu Roß Rinder durch
die Prärie und entspannt sich abends am Lager-
feuer mit einer Zigarette. Der Camel-Mann geht
meilenweit für seinen Glimmstengel.
Emanzipiert dank Klementine
Dabei werden in den späten 1960er Jahren
auch gesellschaftliche Umwälzungen aufge-
griffen. Das bekannteste Beispiel dafür ist Kle-
mentine – die burschikose Klempnerin mit rot-
weiß kariertem Hemd, weißer Latzhose und
weißer Schirmmütze, dargestellt von der Berli-
ner Schauspielerin Johanna König. 1968, als die
Frauenbewegung gerade erst beginnt, Mo-
mentum zu entwickeln, lässt sie der US-Kon-
zern Procter & Gamble als emanzipierte, reso-
lute Frau im Männerberuf für sein Waschmittel
Ariel werben. Ihr Satz »Nicht nur sauber, son-
dern rein« wird zum geflügelten Wort. Ihre
Latzhose und Schirmmütze werden später erst
im »Haus der Geschichte« in Bonn präsentiert
und sind bis heute Teil der Dauerausstellung
im Deutschen Werbemuseum in der Mainmet-
ropole Frankfurt. Wie sehr die Amerikaner mit
dieser Kampagne der aufkommenden Gleich-
berechtigung voraus sind, zeigt eine Jahres-
zahl: 1977. Erst neun Jahre nach Beginn der
Klementine-Werbung startet die Frauenrecht-
lerin Alice Schwarzer ihr Magazin »Emma«.
Werbung darf nicht nerven!
Doch nach 150 Jahren funktioniert die klassi-
sche Werbung zum Ende der 1990er Jahre im-
mer weniger. Je mehr Sender die Zuschauer
empfangen können, desto leichter ist es für sie,
zu einem anderen Kanal zu wechseln, wenn ein
Beitrag durch einen Werbeblock unterbrochen
wird. Auch über das aufkommende Internet ha-
ben Unternehmen es schwer, ihre Botschaften
zu vertreiben. Zwar wendet sich ein Teil des
jungen Lesernachwuchses von den Printmedi-
en weg und dem weltweiten Datennetz zu.
Doch dessen Nutzer goutieren kaum, was viele
Werbeagenturen bei ihren Web-Kampagnen
präsentieren – weil sie dabei vor allem auf Dis-
ruption setzen: Anzeigen ploppen plötzlich auf
oder bedecken für etliche Sekunden den ei-
gentlichen Lesestoff. Weltweit erklären generv-
te User bald in Foren, Hersteller zu boykottie-
ren, von deren Online-Werbung sie sich gestört
fühlen.
Sir Martin Sorrell, Gründer und bis zu seinem
Rückzug ins Privatleben im April dieses Jahres
Vorstandschef der britischen Werbeholding
WPP, erkennt als einer der ersten, dass das
Störprinzip nicht funktionieren kann, weil es
den Interessen der Umworbenen zuwider läuft.
Ob im Fernsehen oder im Internet, Werbung
dürfe nicht als »unwillkommene Unterbre-
chung oder Belästigung« daher kommen, son-
dern als Attraktion, verkündet der heute 72-Jäh-
rige bereits vor 14 Jahren. »Die Werbung muss
besser, unterhaltsamer und verführerischer
werden.«
Botschaften senden, Informationen
liefern
Es ist der Beginn eines neuen Werbekonzepts.
Konsumenten werden nicht länger nur als
passive Empfänger von Kaufempfehlungen
verstanden. Unternehmen machen sich dar-
an, Kunden mit zielgerichteten Veranstaltun-
gen mit ihren Produkten in Kontakt zu brin-
gen. Das Eventmarketing ist geboren. Der sta-
tionäre Handel, durch E-Commerce massiv un-
ter Druck geraten, zählt zu den Vorreitern.
War das Einkaufen für viele Menschen bislang
eher mühsame Pflicht, wandelt es sich nun zu
einem attraktiven Erlebnis – Shopping wird
Johanna König alias »Klementine«
© imago / teutopress
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