German Council Magazin 03.2018 - page 35

GCM 3/2018

GERMAN COUNCIL . INTERVIEWS
Das wird immer wieder gefordert, wenn die
Werbeeinnahmen sinken. Tatsächlich gibt es
gute und schlechte Werbung. Gute Werbung
lässt beispielsweise die Marke, für die gewor-
ben wird, möglichst gut erkennen. Es gibt
Spots, bei denen sich erst zum Schluss heraus-
stellt, wer da eigentlich für was wirbt. Hier
kann sich schlecht ein Markenbild aufbauen.
Kann das nicht auch ein dramaturgisches Mit-
tel sein, um sich abzusetzen von der Masse?
Manchmal klappt das vielleicht auch. Die Tele-
kom hat zu Weihnachten einen langen Spot
mit dem Teenie-Idol Justin Bieber gedreht, bei
dem es vordergründig um sein Werben um ein
jungen Mädchen geht – erst ganz zum Schluss
erfährt man, dass die Telekom für günstige
Streaming-Tarife wirbt. Da überdeckte ganz
klar die Handlung die Marke, die beworben
werden sollte. Ob es zu mehr Abschlüssen ge-
kommen ist, steht in den Sternen.
Justin Bieber kennt vermutlich jeder unterhalb
von 20 Jahren. Die Generation der inzwischen
50-Jährigen weiß dagegen noch, wer Klementi-
ne ist, kennt den Marlboro-Mann und das HB-
Männchen – und kann bis heute Werbeslogans
auswendig, obwohl sie schon seit Jahrzehnten
nicht mehr gesendet oder gedruckt werden.
Was hat sich da in der Wahrnehmung der
Menschen verschoben?
Grundsätzlich wird heutzutage einfach viel mehr
geworben als früher – und wir werden entspre-
chend regelrecht mit Werbung überflutet. Das
wird schon anhand der großen Zahl an Publikati-
onen sichtbar. Gab es in den 1980er Jahren rund
800 Zeitschriften, sind es inzwischen mehr als
3000. Da ist der Werbedruck enorm hoch und
kleine Etats gehen schnell unter. Es mag wie eine
Binse klingen: Aber, ja, Werbung klappt am bes-
ten mit viel Geld im Hintergrund. Wer genügend
Kapital in die Hand nehmen kann, um sich und
sein Produkt bekannt zu machen, wird Erfolg ha-
ben. Wir wissen inzwischen, dass man bis zu ei-
nem Bekanntheitsgrad von 20 Prozent in der Be-
völkerung noch auf Kreativität setzen kann; darü-
ber muss man massiv Geld in die Hand nehmen.
Und das funktioniert immer?
Immer dann, wenn man ein entsprechendes
Produkt hat. Mir fällt ein Fall ein, bei dem das
Ganze dennoch nach hinten losging, was aber
am Produkt selbst gelegen hat. Die Südkorea-
ner haben um die Jahrtausendwende mit rund
80 Millionen Mark für die Einführung ihrer Au-
tomarke Daewoo auf dem deutschen Markt ge-
worben – mit Erfolg. Zumindest kannten da-
mals zwischen 80 und 90 Prozent der Bevölke-
rung die Marke und wussten sogar, wie man
den Namen ausspricht, weil die Werbung ge-
nau auf die für uns ungewöhnliche Aussprache
abzielte. Wirtschaftlich floppte Daewoo trotz-
dem, weil es nur zwei Autotypen gab, und die
Qualität der Fahrzeuge auch nicht dem An-
spruch des deutschen Autofahrers entsprach.
Junge Leute interessieren sich kaum noch für
Autos, dafür umso mehr, wie andere leben,
was sie essen, wie sie sich kleiden, wo sie ein-
kaufen. Sind die sogenannten Influencer nur
ein vorübergehendes Phänomen oder langfris-
tige Werbe-Ikonen wie einst Klementine, die
jedermann mit dem Waschpulver Ariel in Ver-
bindung gebracht hat?
Influencer sind in der Tat ein interessantes Phä-
nomen aus Sicht der Werbewirtschaft. Junge
Frauen wie etwa Lananovalove haben sich bin-
nen kurzer Zeit eine Fangemeinde von mehr als
700.000 Anhängern geschaffen – und verdienen
gut daran. Zurzeit schaffen es die Unternehmen
über diese Internet-Persönlichkeiten jede Menge
junge Leute zu erreichen und sponsern sie mit
entsprechenden Etats. Bislang mussten die Influ-
encer nicht angeben, von wem sie finanziell un-
terstützt werden. Das ändert sich aber gerade.
Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind durch
einige aktuelle Gerichtsurteile andere geworden.
So wurden etwa die Vorgaben für Werbekenn-
zeichnungen verschärft, und Plattformen wie Fa-
cebook oder Instagram haben sogar eigene Re-
Sven Dierks
geln aufgestellt. Man wird sehen, wie sich das
langfristig auswirkt. Im Moment ist schon ganz
deutlich zu erkennnen, dass die Follower negativ
darauf reagieren, wenn klar ist, dass ihr Influen-
cer sich dafür bezahlen lässt, einen bestimmten
Artikel zu präsentieren. In Umfragen haben die
Follower angegeben, bislang gar nicht gewusst
zu haben, dass Influencer Geld für Produktwer-
bung erhalten.
Das Gespräch führte
Susanne Osadnik,
Chefredaktion German Council Magazin
Sven Dierks
ist Professor an der Hochschule für
Medien, Kommunikation undWirtschaft in Frank-
furt/Main, wo er im Fachbereich Psychologie
lehrt. Die Forschungsschwerpunkte des promo-
vierten Psychologen sind unter anderem Werbe­
effizienzberechnungen und Werbeerfolgskont-
rollen sowie Werbemarkt- und Mediaforschung.
Neben seiner akademischen Karriere hat der
Werbespezialist auch Erfahrungen in der freien
Wirtschaft gesammelt: etwa als Marktfor-
schungsleiter im Spiegel-Verlag und Leiter der
Werbeforschung beim Radio Marketing Service
sowie bei IFCom, einem Institut für Kommunika-
tionsberatung in Hamburg.
© QuidoX – flickr.com / creativecommons.org
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