German Council Magazin 03.2018 - page 20

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GCM 3/2018
GERMAN COUNCIL . AT-TRAC-TION
henmetern bei Balderschwang im Oberallgäu.
Statt Mobilfunk- und Internetempfang gibt es
Yoga, Tai Chi und geführte Wanderungen zu so-
genannten Kraftplätzen, um die innere Batterie
aufzuladen.
Ich bin dann mal im Kloster!
Ganz radikal ist der Entzug auf dem Hofgut Haf-
nerleiten im niederbayerischen Bad Birnbach:
Gäste müssen nicht nur auf das Smartphone,
sondern auch auf Fernsehen und Radio verzich-
ten. Dafür bietet das Inhaberpaar Anja und Erwin
Rückerl Puzzle, Hörbücher, Wellness und Sauna –
und abends Vier-Gänge-Menüs.
Mit dem wachsenden Drang nach digitaler Stille
gewinnen auch Orte zunehmend wieder an At-
traktivität, die Menschen seit Jahrhunderten auf-
suchen, wenn sie Ruhe und Abgeschiedenheit
suchen: Klöster. »Immer mehr Menschen suchen
an diesen Orten die Entschleunigung vom mo-
dernen Leben«, sagt Julia Proksch, Sprecherin
des Kölner Touristikunternehmens SRK Reisen,
das fünf- bis achttägige Wellness-Urlaube für
Körper und Seele in Ordensanlagen quer durch
Deutschland anbietet. »Die Zahl der Buchungen
steigt stetig.« Ob in der Benediktinerabtei Otto-
beuren im Unterallgäu, im Kloster Münstertal im
Schwarzwald oder im Klostermarienrode im nie-
dersächsischen Hildesheim: Mit Yoga-Kursen, Qi
Gong, Feldenkreis, Zen-Meditation und meditati-
vem Bogenschießen lernen die Teilnehmer in-
nerlich zur Ruhe zu kommen, auf ihren Körper zu
achten – und sich vor der kontinuierlichen Flut
digitaler Reize zu schützen. Mit dem Internet-
und Mobilfunkempfang klappt es aufgrund der
dicken Klostermauern ohnehin selten. Aber auch
sonst wird es schwierig mit der Erreichbarkeit:
»In vielen Abteien gibt es weder Fernsehen noch
Radio in den Zimmern«, sagt Proksch. Kalter Ent-
zug für so manchen Getriebenen. Aber auch ein
vielversprechender Neustart – und das ganz
ohne »Reset«-Funktion.
Ein Beitrag von
Richard Haimann,
freier Journalist
© fotoping – fotolia.com
Komfort fehlt ebenso. Übernachtet wird in Zel-
ten, gegessen wird am Lagerfeuer. Dennoch
finden sich reichlich Interessenten, die bereit
sind, rund 3.300 Euro für die 14-tägige Tour
durch den Tapón del Darién und 4.500 Euro
für einen 13 Tage währenden Trip mit Rentier-
züchtern im eisigen Norden Sibiriens jenseits
des Polarkreises zu zahlen. Zuzüglich der An-
reisekosten, die meist nochmals mehrere Tau-
send Euro verschlingen. Den Teilnehmern ist
es das wert: Offline durch harte unbändige
Natur zu trekken, sei »ein unglaubliches Aben-
teuer«, sagt die Australierin Kellie, die den Da-
rién-Pfropfen bewältigt hat.
Bergkse statt Handy
Doch derartige Strapazen muss beim reinen digi-
talen Entzug niemand auf sich nehmen. Es geht
auch ohne Adrenalinschub: Immer mehr Hotels
haben den Wunsch der Menschen, zeitweise
nicht erreichbar zu sein, als Geschäftsidee ent-
deckt – und bieten digitale Entgiftung auf hohem
Komfortniveau. »Bergkäse gegen Handy«, heißt
es in der Hubertus Alpine Lodge auf 1.044 Hö-
Ottobeuren
© Adel Kamel / jura_taranik / by paul – fotolia.com
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