German Council Magazin 03.2018 - page 11

GCM 3/2018
GERMAN COUNCIL . AT-TRAC-TION
schön gilt alles, was auf Jugendlichkeit und Ge-
sundheit hindeutet – quer durch alle Kulturen
und Epochen. Ins Urteil fließen zudem der sexu-
elle Dimorphismus ein – typisch männliche oder
weibliche Merkmale werden betont – sowie Sta-
tusmerkmale. Glatte, makellose Haut und straf-
fes Gewebe vermitteln den Eindruck von Jugend
und der Fähigkeit zur Fortpflanzung.« In der
Neuzeit befeuern die Medien derartige Erwar-
tungshaltungen zusätzlich.
In Zeiten, in denen Nahrung knapp ist, zeugt
Körperfett von Wohlstand. Heutzutage, wo es
Lebensmittel im Überfluss gibt und zu allen Ta-
ges- und Nachtzeiten gegessen werden kann,
wird Übergewicht in westlichen Industrienatio-
nen eher mit niedrigem sozialem Status assozi-
iert. Gleiches treffe auf die Hautfarbe zu, sagt
der Psychologe und Attraktivitätsforscher: »Einst
war nur der Adel blass, der es sich leisten konn-
te, im Haus zu bleiben oder mit dem Sonnen-
schirmchen zu lustwandeln. Bräune zeugte von
Arbeit auf dem Feld. Von daher der Begriff ‚vor-
nehme Blässe‘. Wer heute braun ist, signalisiert
eher Gesundheit, weil er an der frischen Luft
Sport treibt, oder einen hohen Status, da er sich
teuren Urlaub leisten kann.«
Attraktiv = erfolgreich
Schönheit sei erstrebenswert, weil sie große Vor-
teile bei der Partnerwahl einbringe, so Gründl,
aber auch beruflichen Erfolg und viele Vorzüge
im Alltag: »Bei Studien mit Fotos haben wir fest-
gestellt, dass ein Mensch umso positiver beur-
teilt wird, je schöner er ist. Selbst Neugeborene
schauen länger in attraktive Gesichter, insofern
spielt die Biologie sicher eine Rolle.« Auf Frauen
lastet ein höherer gesellschaftlicher Druck,
schön zu sein. Das liegt an den unterschiedli-
chen Partnerwahlkriterien und Präferenzen. Im
Klartext: Männer stehen auf tolles Aussehen,
Frauen setzen eher auf hohen sozialen Status ih-
res Partners. Eigenschaften wie Treue und Ehr-
lichkeit sind dagegen für beide Geschlechter
gleich wichtig.
Schönheit liegt im Auge des Betrachters, heißt
es. Wer sich Mode, Wohnstile und Kunst an-
schaut, möchte es fast glauben. Verzierte Bier-
humpen aus der Kaiserzeit, Hirschgeweihe und
Engelsgemälde an der Wand, Gartenzwerge und
bemalte Porzellanuhren, eine 2000 Euro teure
Balenciaga-Tasche im Ikea-Look, Sandaletten mit
eingebauten Latex-Socken: nichts, was es nicht
gibt im Reich des Kuriosen und Kitschigen. Man-
ches davon ist schon fast wieder Kult.
Auch der Einrichtungsstil ändert sich stetig. Im
Mittelalter legten einfache Leute Holzplanken
über zwei Böcke, um an diesem »Tisch« ihr
schlichtes Mahl zu verzehren, und nächtigten
auf Strohmatten. Prunk und Pomp herrschte in-
des in den Wohnstätten der Adeligen: feinste
Stilmöbel, riesige Wandgemälde, samtene Vor-
hänge und kostbare Verzierungen machten zu-
gige Schlösser wohnlicher. Teure Einrichtung
war auch im Biedermeier ab 1815 bei wohlha-
benden Bürgern Trumpf. Diese setzten aller-
dings auf klare Formen mit wenigen Zierelemen-
ten und ließen die Maserung des Holzes zur Gel-
tung kommen, um den Eindruck eines gemütli-
chen Heims zu vermitteln. Der moderne Mensch
möchte so nicht mehr wohnen – zu überladen,
zu viel Staubwischerei in Zeiten, in denen alle
dauerbeschäftigt sind. Heutzutage gibt es güns-
tige Massenproduktion, die dem Wunsch der
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