German Council Magazin 03.2018 - page 10

GCM 3/2018
GERMAN COUNCIL . AT-TRAC-TION
Dank Schönheitschirurgie ist das Zurechtschnip-
peln aller möglichen und unmöglichen Körper-
teile heutzutage gängige Praxis. Jeder, der über
genügend Geld und Mut verfügt, kann sich so
formen lassen, wie es seinem persönlichen Ideal
entspricht. Über Geschmack lässt sich nun mal
nicht streiten. Neu ist die Suche nach dem per-
fekten Äußeren indes nicht. Die ägyptische Köni-
gin Kleopatra soll täglich in Eselsmilch mit Ho-
nig gebadet haben – für eine perfekte Haut. Im
vorchristlichen China banden Frauen sich
schmerzhaft die Füße ab, um sie am Wachsen
zu hindern. Denn zu der Zeit galten winzige
Füßchen als schön – und hinderten die Frauen
daran, sich weit weg zu bewegen. Im christlich
geprägten Mittelalter war Porzellan-Teint ge-
fragt, dem die Damen der besseren Gesellschaft
durch eine Paste aus Bleiweiß und Quecksilber
nachhalfen – mit fatalen gesundheitlichen Fol-
gen. Das Streben nach vermeintlicher Attraktivi-
tät hat es immer und überall gegeben. Das gilt
für moderne Gesellschaften genauso wie für ar-
Doch nie zuvor hat sich das Schönheitsideal so
schnell gewandelt wie im 20. Jahrhundert. Jedes
Jahrzehnt ein neuer Look: vom weiblichen
Gibson-Girl der 1910-er Jahre mit großen Locken
über die mondänen Flapper-Girls der »Roaring
Twenties«, den autoritären Military-Look des
Zweiten Weltkriegs, so wie Katherine Hepburn
ihn bevorzugte, bis hin zur sexy Sirene der 50er
mit Marilyn Monroe als Idol.
»Heroin Chic« und Mega-Po
»Twig« bedeutet »Ast« – und sagt alles über den
begehrten Look der Sechziger. Model Lesley
Lawson, bekannt als »Twiggy«, ist Vorreiterin.
Den Disco-Girls folgen die Supermodels und
schließlich der »Heroin Chic« à la Kate Moss. In
den 2000-ern haben Personal Trainer Hochkon-
junktur, denn Waschbrettbäuche wie bei Britney
Spears sind das Objekt der Sehnsucht. Wenig
später folgt der Hype um den »Booty«, einen
Mega-Po, wie ihn Kim Kardashian besitzt.
»Viel wichtiger ist aber, dass bei allem Wandel
sehr viele Merkmale gleich bleiben«, so Martin
Gründl, Professor an der Hochschule Harz. »Als
HIMMLISCH SCHÖN,
HERRLICH GESCHMACKLOS
Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land? Eine Frage, die für Schnee-
wittchen mörderische Folgen haben sollte. Im Märchen ist alles ganz einfach: Die Guten sind schön,
die Bösen sind hässlich. Basta. Im realen Leben sieht das anders aus – vor allem auch deshalb, weil
Schönheitsideale keine Konstanten sind. Was gestern als attraktiv galt, ist heutzutage verpönt.
Das Ganze funktioniert auch anders herum
chaisch lebende Naturvölker. Etwa in Myanmar:
Die Giraffenhalsfrauen des Padaung-Volkes tra-
gen von Kindheit an schweren Halsschmuck aus
Ringen, der die Schultern deformiert und den
Hals verlängern soll.
Korsett und grotesker Haarturm
Im Barock war Wasser verpönt, weil es als Hort
aller damals bekannten Krankheiten galt – und
die Angst vor der Pest war groß. Dafür fanden
Parfum und Puder reißenden Absatz, um unan-
genehme Odeurs zu übertünchen. Und Üppig-
keit war ein Zeichen von Wohlstand. Angesagt
war daher die sogenannte Rubensfigur. Im an-
gezogenen Zustand hatten die Damen ihre
Pölsterchen jedoch tunlichst mittels Korsett zu
verstecken. Im Rokoko türmten Frauen ihr
Haar zu grotesken Frisur-Ungetümen hoch –
Mann trug Perücke. In enge Korsetts à la Scar-
lett O‘Hara schnürten sich Ladies des 19. Jahr-
hunderts ein.
Katharine Hepburn (1940)
© Sharonlin8296 – commons.wikimedia.org
© ScreenProd / Photononstop / Alamy Stock
© Sandstein – commons.wikimedia.org
Giraffenhalsfrau (Padaung)
Marilyn Monroe (1953)
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