Page 60 - German Council Magazin 04.2021
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GERMAN COUNCIL . INTERVIEW
© Anna-Lena Ehlers Photography Wer sagt, ich will russisches
Gas, es darf, aber nur aus der
Pipeline Nummer 1 und nie-
mals aus der mit Nummer 2,
der macht sich einfach
lächerlich.
Professor Dr. Heiner Flassbeck war Keynote-Speaker
beim German Council Congress 2022
Sie loben China als Vorbild in Sachen Wirtschaftspolitik. Was macht dann ist es vollkommen wurscht, aus welcher Pipeline
die Republik besser als zum Beispiel europäische Staaten? dieses Gas kommt. Wer sagt, ich will russisches Gas, es
darf, aber nur aus der Pipeline Nummer 1 und niemals
China verfolgt eine intelligente Wirtschaftspolitik und aus der mit Nummer 2, der macht sich einfach lächerlich.
sucht nicht auf Teufel kommt raus nach Marktlösun- Das ist fast schon am Rand des Kindergartens.
gen. Wenn der Markt eine Lösung bietet, ist es gut, wenn
nicht, muss der Staat aushelfen. Wohin kann es führen, wenn Bundesbürger demnächst in kal-
ten Wohnzimmern sitzen und ihre Lebensmittel nicht bezahlen
Traditionell sind Politik und Wirtschaft miteinander verquickt – können?
Subventionen hier, Parteispenden dort. Das Sponsoring von Ban-
ken, der Auto- und Flugindustrie beispielsweise bringt viele auf die Da haben Rattenfänger vom Schlage Trump und Johnson
Palme. Wie ließe sich das besser lösen? ihre große Chance – Clowns werden ja auch sonstwo im-
mer häufiger zu Regierungschefs gemacht. Die Demokra-
Die Politik muss für eine deutliche Entlastung der unte- tien sind in höchstem Maße gefährdet, weil die Menschen
ren Einkommen sorgen. Das ist zentral, wird aber immer extrem unzufrieden sind mit der Politik und den Politi-
wieder verwässert, weil jede Partei ihre Klientel auch kern. Letztendlich droht überall moderner Faschismus à
noch bedienen will. Ein anderes Beispiel: Wenn man eine la Trump.
Klima-Strategie verfolgt, die darauf setzt, die Erneuerba-
ren durch Gaskraftwerke zu unterstützen, und plötzlich
ist kein Gas mehr da, dann muss man der Bevölkerung KENNER DER POLITIK
ehrlich sagen, dass man ein Problem hat. Wenn man aber
im Prinzip bereit ist, russisches Gas weiterhin zu kaufen, Heiner Flassbeck studierte Volkswirtschaftslehre
an der Universität des Saarlandes. Stationen sei-
nes Wirkens waren unter anderem das Bundes-
wirtschaftsministerium in Bonn sowie das Deut-
sche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Ber-
lin, bevor er 1998 zum Staatssekretär im Bundes-
ministerium der Finanzen unter der Schröder-Re-
Die Erhöhung der Zinsen durch gierung berufen wurde. Er beriet damals den
die EZB ist gesamtwirtschaft- Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine. Danach
war er viele Jahre Chefvolkswirt bei der UNCTAD in
lich kontraproduktiv und führt Genf. Heiner Flassbeck ist heute Professor an der
letztendlich nur zu einer noch Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik,
hat etliche Fachbücher veröffentlicht und betreibt
größeren Rezession.
die Website relevante-oekonomik.com.
58 SHOPPING PLACES* MAGAZINE 4 / 2022

