Page 22 - German Council Magazin 01.2019
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GERMAN COUNCIL . TRENDS




       Das Co-Prinzip                                                          neue, instabile Wirklichkeit. Das Organisati-
                                                                               onsprinzip der Kooperation dient damit als
                                                                               probates Mittel zur Komplexitätsbewälti-
       Co-Working, Co-Mobility, Co-Creation, Co-Living: Die sozialen           gung. Denn es rückt unsere menschlichen
                                                                               Grundkompetenzen wieder in den Fokus –
       Techniken des Kollaborierens und Kooperierens sind das Organi-          umso mehr, je stärker unsere Lebenswelten
       sationsprinzip der vernetzten Gesellschaft – weil sie menschliche       von Automatisierung und Algorithmisierung
       Potenziale zur Entfaltung bringen                                       durchdrungen werden.

                                                                               Vom Homo oeconomicus zum
                                                                               Homo socialis

       Die Ära der Vernetzung ist eine Blütezeit für   mantischen Liebe. Heute jedoch markieren   Nichts anderes verdeutlicht die Renaissance
       hybride Gemeinschaften und Communitys.   soziale Phänomene wie Co-Working, Co-Li-  der Empathie und der sozialen Resonanz, die
       Überall in der Gesellschaft entstehen neue   ving, Co-Mobility und Co-Creation einen ech-  wir derzeit erleben: In der vernetzten Gesell-
       Kollektiv-Konstrukte, in denen wir uns ver-  ten Phasensprung in der gesellschaftlichen   schaft herrscht eine tiefe Sehnsucht nach ei-
       netzen, online und offline, privat und profes-  Evolution. Sie reagieren auf die Anforderun-  ner Kultur, die Beziehungen schafft, und
       sionell. Immer mehr Menschen tauschen   gen einer hochkomplexen Welt – und helfen   nach Identitäten, die über das eigene Ich hin-
       und teilen, von Kleidern und Lebensmitteln   uns, jene Co-Kompetenzen auszubilden, die   ausgehen. Das Co-Prinzip reicht also weit hi-
       bis zu Autos und Fahrrädern, leben in Mehr-  im Kontext der Konnektivität immer wichti-  naus über die rein ökonomischen Aspekte
       generationen-Wohnprojekten, bewirtschaf-  ger werden.                   der Sharing Economy. Im Zentrum steht der
       ten gemeinsam urbane Gemüsegärten, ar-                                  Wunsch, neue flexible Formen von Zusam-
       beiten in Co-Working-Spaces. Das Co-Prin-  Komplexität verlangt Kooperation  menhalt  und  Gemeinschaft  zu  spüren  und
       zip, das sich heute an den unterschiedlichs-                            zu schaffen. Mehr denn je sucht das indivi-
       ten Stellen und Orten der Gesellschaft mani-  Die vernetzte Realität verwickelt uns in eine   dualisierte Ich nach Resonanz in kollaborati-
       festiert, ist so alt wie die Menschheit selbst.   Vielzahl oft unüberschaubarer Kommunika-  ven Gemeinschaften.
       Kollaborative Gefüge durchziehen unsere   tionszusammenhänge. Unser Leben wird fle-
       Geschichte wie ein roter Faden, von archai-  xibler – und komplexer. Die neuen Co-Ge-  Auch das wissenschaftliche Bild vom Men-
       schen Stämmen bis zu modernen Subkultu-  meinschaften sind eine direkte Antwort auf   schen  und  seinem  »natürlichen«  Verhalten
       ren und Szenen, von strategischen Interes-  diesen Komplexitätsdruck. Als flexible Gefü-  hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehn-
       sengemeinschaften bis zur Erfindung der ro-  ge sind sie optimal zugeschnitten auf die   ten stark gewandelt. Nicht mehr das Konkur-




                                                                                                                  © Deagreez – istockphoto.com































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