Page 12 - German Council Magazin 01.2019
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GERMAN COUNCIL . TRENDS




       »Nenn’ mich                                                             zelner Produkte deutlich besser wahrneh-
                                                                               men, wenn zuvor die Musik ausgeblendet
       nicht Silver Ager«                                                      wird und einzelne Sätze lauter und langsa-
                                                                               mer gesprochen werden«, sagt der IHK-Ge-
                                                                               schäftsstellenleiter. Am  Test beteiligte Ein-
                                                                               zelhändler in Senftenberg hätten aufgrund
       Der demografische Wandel ist ein Megatrend. Die Zahl der älteren        solcher Erkenntnisse die Warenpräsentation
       Menschen in Deutschland wird in den kommenden Jahren deutlich           in ihren Geschäften geändert: Produkte, die
       wachsen. Für den stationären Einzelhandel birgt diese Entwicklung       bevorzugt von Senioren erworben werden,
                                                                               seien in den Regalen nun so platziert, dass
       zahlreiche Chancen, denn Senioren verfügen über hohe Kaufkraft          sie sich in deren idealer Greifweite befinden.
       und konsumieren am liebsten stationär – allerdings nur in solchen
       Geschäften, die sich auf sie als Kundengruppe einstellen                Jeder zweiter Euro wird von über
                                                                               50-Jährigen ausgegeben

                                                                               Wenn Einzelhändler so handeln, ist das für
                                                                               Wolfgang Moll wieder einmal eine Bestäti-
                                                                               gung seiner Arbeit. Der 53-jährige Diplom-
       Am Rücken drückt es, in den Knien schmerzt   »Die Tester waren ziemlich überrascht, wel-  Designer und Ergonom aus dem baden-
       es, die Unterarme und Hände zittern, das   che motorischen, visuellen und akustischen   württembergischen Stotzingen hat den Ge-
       Blickfeld ist eingeschränkt und Farbtöne   Einschränkungen in einem Einkaufsmarkt   rontologischen Testanzug GERT entwickelt,
       können nicht mehr klar unterschieden wer-  für Senioren bestehen«, sagt Petermann. Äl-  der  inzwischen  in  Ausbildungs- und  For-
       den. Wer einen Alterssimulationsanzug trägt,   tere  Menschen seien  nicht  nur  weniger  be-  schungseinrichtungen, Unternehmen und
       erfährt, wie es sich anfühlt, ein alter Mensch   weglich als jüngere. Auch das Sehvermögen   Verbänden zum Einsatz kommt, wenn Be-
       zu sein – und als ein solcher beispielsweise   und das Gehör lasse mit dem Alter nach.   schäftigte für die Einschränkungen älterer
       einkaufen zu gehen. Erkenntnisse, die auch   »Für Senioren ist es deshalb nicht nur   Menschen sensibilisiert werden sollen oder
       zwölf Einzelhändler im brandenburgischen   schwieriger, Produkte aus  Tiefkühltruhen   man wissen will, wie Geschäfte, Fahrzeuge
       Senftenberg bei einem Testlauf in einem ört-  oder  unteren  Regalfächern  zu  entnehmen.    oder Produkte für Senioren optimiert werden
       lichen Supermarkt gewonnen haben. Das Fa-  Sie haben auch Probleme, die von ihnen ge-  können. »Wer so einen Anzug getragen hat,
       zit: »Im Alter fällt der Einkauf deutlich schwe-  suchten Waren darin zu finden.« Darüber hi-  erlebt die Welt mit den Sinnen eines alten
       rer«, sagt Marcel Petermann, Leiter der Ge-  naus sei es für sie sehr schwierig, von Musik   Menschen – und will sein Geschäft anschlie-
       schäftsstelle Senftenberg der Industrie- und   untermalte  Tonansagen in Supermärkten   ßend so formen, dass sich auch diese Kun-
       Handelskammer Cottbus, der den Selbstver-  und Warenhäusern zu verstehen. »Wir haben   den darin wohlfühlen«, sagt Moll. Das sei
       such der Händler in der 24.500 Einwohner-  bei dem  Test entdeckt, dass ältere Men-  nicht überraschend: »Schon heute wird jeder
       Stadt organisiert hat.              schen Werbeansagen zur Vermarktung ein-  zweite Euro im Einzelhandel von Konsumen-
                                                                               ten ausgegeben, die älter als 50 Jahre sind«,
                                                                               erklärt Moll. »Morgen wird der Anteil dieser
                                                                               Altersgruppe noch deutlich höher sein.«
     © gilaxia – istockphoto.com                                               Es ist einer der bedeutendsten Megatrends

                                                                               der Gegenwart: Nicht nur in Deutschland,
                                                                               sondern in ganz Europa, in Nordamerika
                                                                               und in weiten  Teilen des asiatisch-pazifi-
                                                                               schen Raums wächst der Anteil der alten
                                                                               Menschen  an der  Gesamtbevölkerung ste-
                                                                               tig. Der demografische Wandel wird die Al-
                                                                               tersstruktur der Gesellschaften in den kom-
                                                                               menden Jahrzehnten  radikal verändern.
                                                                               Derzeit sind in Deutschland nach Berech-
                                                                               nungen des Statistischen Bundesamtes
                                                                               rund 18 Millionen der insgesamt 81,4 Millio-
                                                                               nen Einwohner älter als 64 Jahre – ein An-
                                                                               teil von 22,48 Prozent. Im Jahr 2030 jedoch
                                                                               werden nach den jüngsten Prognosen der
                                                                               Bundesstatistikern bereits 27,5 Prozent der
                                                                               Bevölkerung 65 Jahre und älter sein; 2050
                                                                               sogar 31,57 Prozent.


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