Page 5 - German Council Magazin 02.2014
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GERMAN COUNCIL . INhALt
GERMAN COUNCIL . IN MOtION GERMAN COUNCIL . IN MOtION
Unternehmer ändern sich,
Manager machen weiter, wie gewohnt
Ein Gespräch mit dem Handelsweisen und dm-Drogeriemarktvorstand Prof. Götz
Werner über die Wichtigkeit von Bewusstsein, Sinnstiftung und Rhythmusgefühl.
Ein Treffen im April mit Prof. Götz W. Werner im Althoff Hotel am IB War dm damals Vorreiter?
Schlossgarten Stuttgart. Gut gelaunt kommt der dm-Gründer und Visi- Wo gibt es Vorreiter? »Alles Gescheite ist schon gedacht worden«, so
onär per pedes. In gelöster Stimmung genießen die Interviewer die zwei hat es Goethe gesagt. Der Drogeriemarkt von heute war damals die
Stunden im Hotelfoyer, in denen Prof. Werner ihren gewohnten Blick discountierende Drogerie: attraktiveres Sortiment, absolute Selbst-
auf den Handel aus den Angeln hebt. Ein Handelsweiser über die Wich- bedienung – oder besser, die Einbeziehung des Kunden in den Ar- GERMAN COUNCIL . vOR ORt GERMAN COUNCIL . vOR ORt
tigkeit von Bewusstsein, Kulturverständnis und Rhythmusgefühl. beitsablauf – und entsprechend günstigere Preise. Vorbilder gab es
bereits in der Lebensmittelbranche – Aldi oder Migros in der Schweiz.
Die Idee lag damals in der Luft, da der Wegfall der Preisbindung dis-
RW Herr Prof. Werner, 1973 setzten Sie sich mit den dm-Drogerie- kutiert und schließlich beschlossen wurde. Fließende Grenzen
märkten in Gang – und machten so ziemlich alles anders als die alt-
eingesessene Drogistenfamilie, aus der Sie stammen ... IB Die erste dm-Filiale eröffneten Sie in einer Karlsruher Lauflage; erin- Die »EuroShop 2014« in Düsseldorf
Mein Vater war ein sehr kundenorientierter Mensch, musste aber sein nern Sie sich noch an Ihre erste Eröffnung in einem Shopping Center?
Geschäft verkaufen. Er hatte zwei Slogans. Der erste hieß »Drogerie Wer- Das war noch vor dm-Zeiten, im Hessen Center, einem der frühen ECE-
ner – vielseitig, höflich, preiswert«. Damit ist er gewachsen. Er hatte für Center. Ich arbeitete damals für eine Drogerie als Prokurist. Die Firma
die 50er- und 60er Jahre verhältnismäßig hohe Einnahmen mit seinen zu- schrieb Verluste. Ihr Geschäftsmodell war nicht produktiv genug für die
letzt etwa 20 Läden und rund 200 Mitarbeitern. Der zweite Slogan lautete Kosten, die im Center auf sie zukamen. Die damaligen Drogerien waren
»Drogerie Werner führt alles oder be- meist kleine Läden mit wenig Umsatz © Messe Düsseldorf, Tillmann © Messe Düsseldorf, Tillmann
sorgt es schnell«. Das war der Sargna- und hohem Aufwand. Oft wurden sie © Detlef Göckeritz Das rasante Wachstum des Online-Handels betrachten viele klassische in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt ausgerichtete Mes-
gel für seinen Betrieb. In Heidelberg ›Sollen Kunden auf uns fliegen, müssen wir in einer eigenen Immobilie geführt Einzelhändler als Bedrohung. Zugleich kann das Geschäft im Netz für sie se war die größte »EuroShop« seit dem Gründungsjahr 1966. Doch Oculus Rift Tablet im Einsatz im Laden
gab es viele Gastprofessoren oder und die Mieten waren gewisserma- aber enorme Chancen bergen. Wird künftig nur bestehen, wer den Kun- allen Get-togethers und Cocktail-Partys zum Trotz war es auch das
den auf möglichst vielen verschiedenen Kanälen anspricht? Eine Suche
Treffen einer Branche, die Ähnliches erlebt wie der Foto-Händler aus
ausländische Studierende, die sich einen Sog erzeugen‹ ßen subventioniert. Also warnte ich nach Antworten auf der Fachmesse »EuroShop 2014« in Düsseldorf. Krefeld.
ihre Drogeriewaren in die ganze Welt Prof. Götz Werner die Geschäftsleitung: »Geht das so »Die globale Handelsbranche steht derzeit vor den größten Heraus-
nachschicken ließen und manchmal weiter, sind wir bald pleite.« Das hö- RW Shopping Centern haftet das Stigma der perfekt organisierten müsste mal wieder etwas Neues zum Anziehen kaufen. So kann ich ei- Eines Tages war der Moment gekommen, an dem Wolfgang und forderungen seit Jahrzehnten«, sagte Michael Gerling, der Geschäfts-
die Rechnung nicht beglichen. Mein Vater war dennoch davon begeistert, ren erfahrene Unternehmer ungern von jungen Angestellten. Als ich ih- Verkaufsmaschine an, wie ... gentlich nicht schon wieder kommen«. Der Slogan war ein Vorschlag Dagmar Lennertz die Schnauze voll hatten. Sie klebten einen Zettel führer des EHI Retail Institute bei der Eröffnungspressekonferenz.
ins Schaufenster ihres Krefelder Fotogeschäfts: »Wir sind es satt!«,
Besonders der Online-Handel sei es, der für eine Veränderung in der
jeden Wunsch zu erfüllen. Hätte ich die elterliche Drogerie übernom- nen dann erklärte, wie man es ändern kann, hörten sie es noch weniger Nein, wie kommen Sie darauf? Es gibt eine gewisse Überhöhung des der Agentur, ist aber an ein Goethezitat angelehnt. Viele im Unterneh- haben sie darauf in fetten roten Lettern geschrieben – und in einem Branche sorge, die es in Deutschland in dieser Dimension seit der
men, wäre es mir viel schwerer gefallen und dm wäre vermutlich nie das gern. Da blieb mir nichts anderes übrig, als mich selbstständig zu ma- Konsums und eine Verdichtung – die man nicht übertreiben darf. Bei men sagten dazu: »Oh Gott, was für ein Quatsch!« und ich sagte: »Ge- kurzen Text haben sie erklärt, warum sie nach einem Vierteljahrhun- Einführung der Selbstbedienung 1938 nicht mehr gegeben habe.
dert ihren Laden dichtmachen. Es war ihr Unmut über Kunden, die
Unternehmen geworden, was es heute ist. Dass ich selbst bei null anfan- chen. Damals war ich 28 Jahre. Mit meinem ersten Ladenlokal in Karlsru- dem Immer-mehr-und-immer-mehr muss man sich fragen, ob der nau das ist es«. Es war ein Evidenzerlebnis! Das ist der Sog, den wir eine gute Beratung nicht mehr würdigen. Ihre Verärgerung über Ja, Online boomt: Diese Erkenntnis ist nicht neu. Die Händler erwirt-
gen konnte, war eine biografisch günstige Situation. Die Drogerien von he hatte ich Glück. Es war zentral und preiswert dazu. Nein, billig muss Kunde in manchen Momenten nicht überfordert ist. brauchen, dieses: Hier kann ich mich einbringen und ausdrücken. Kunden, die im Laden nur gucken und später im Internet kaufen. Mit schaften im Netz Milliarden-Umsätze und sie erzielen Wachstumsra-
ten, von denen der stationäre Einzelhandel nur träumen kann. »Das
der Protestaktion hat das Ehepaar scheinbar einen Nerv getroffen:
damals waren ein Auslaufmodell. man sagen – denn preiswert kann auch teuer sein (lacht). Der Wut-Zettel verbreitete sich rasend schnell in den sozialen Net- Wachstum wird zurzeit vor allem durch reine Online-Händler und
RW Ist das der Grund, warum Ihre Läden entschleunigen? Eigentlich IB Ist das ein Mix aus Bauchgefühl und Beobachtung, wie sich Markt zen, bundesweit wurde über die Krefelder Fachhändler berichtet. klassische Versandhändler getrieben, aber auch die Unternehmen © Microsoft, 2014
mit Ursprung im stationären Handel machen Fortschritte im Online-
bauen Sie ja die Lichtung im Einkaufswalde. und Menschen verändern? Knapp 20 Kilometer sind es von »Wolfgangs Digital- und Fotoser- Geschäft«, sagte EHI-Geschäftsführer Gerling.
vice« in Krefeld bis zur Messe Düsseldorf. Mitte Februar fand dort die
Ja, vielleicht ist das ein Punkt des Erfolgs. Man kommt am besten zu Es braucht beides und dann zieht man ein unternehmerisches Fazit. »EuroShop« statt: 109.000 Besucher, 2.200 Aussteller aus 57 Län- Der stationäre Handel darf die Augen vor der Netz-Konkurrenz nicht mymuesli, Muenchen Microsoft Store, Berlin
einer Erfolgsformel, wenn man weiß, was man kann und die Bedürf- Ein Unternehmer denkt stets: »Wir sind zwar erfolgreich, aber so dern, 115.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche. Die alle drei Jahre verschließen. »Die Händler sollten alles tun, um durch eigene On-
nisse seiner Kunden im Auge hat. Seit meinem Einstieg hat sich im geht es nicht weiter.« Er lässt die Dinge nicht so, wie sie sind. Das un- line-Shops zumindest einen Teil der Umsätze im eigenen Unterneh- 2009, heute gibt es bereits ein gutes Dutzend Verkaufsgeschäfte. Aus
Handel dramatisch viel verändert – die Gesetzmäßigkeiten waren terscheidet ihn vom Manager, der sagt: »Das haben wir prima ge- men zu halten«, sagt Prof. Dr. Gerrit Heinemann von der Hochschule dem Unternehmen heißt es, das Netz-Geschäft habe durch die selbst
Niederrhein (siehe Interview).
früher völlig andere. Mit der Zeit sind Unternehmen und ganze Be- macht, das machen wir jetzt immer so.« gemachte stationäre Konkurrenz »keinen signifikanten Kannibalisie-
rungs-Effekt« erfahren. Im Gegenteil: Umsätze und Kundenbestand
triebsformen verschwunden. »Kaufhof bietet tausendfach alles unter Das Netz muss demnach auch als eine Chance wahrgenommen wer- seien an manchen Standorten sogar gestiegen, seit es den mymuesli-
den: »Das Internet ist das, was Sie draus machen«, sagte GCSC-Vor-
einem Dach« – das war früher eine Erfolgsformel. Heute würde Kauf- RW »Man kann nicht so weitermachen, wie man zum Erfolg gekom- standschef Stephan Jung während eines Vortrags beim »EuroShop Laden in der Fußgängerzone gibt.
hof das nicht mehr behaupten wollen. Rückblickend sind wir damals men ist«, kommentierten Sie 2012 die Schleckerpleite. Wie haben Sie Forum« in Düsseldorf. Jung sprach über das Thema »Innovationspo- Service, Beratung und persönlicher Kontakt zum Kunden sind we-
sentliche Unterscheidungsmerkmale zum reinen Online-Kauf. Selbst
tenziale und Chancen im Handel«. Er unterstrich die vielfältigen
auch archaisch aufgetreten, fanden es aber hochmodern, mit »Große dm über die Zeit verändert? Möglichkeiten, die das Internet bietet, und wies zugleich darauf hin, Unternehmen, von denen man lange dachte, dass sie auf Ladenloka-
Marken, kleine Preise« zu werben. Vor 20 Jahren wechselten wir Sie dürfen Ihr Geschäft immer nur so weit verändern, dass der Kunde dass auch der stationäre Handel Stärken habe, auf die er setzen müs- le verzichten können, weil sie ihr Geld mit Bits und Bytes verdienen,
se. Warum sonst ließe sich derzeit beobachten, dass Unternehmen,
treten in der Offline-Welt an die Kunden heran. Microsoft hat sich an
die Verbindung nicht verliert. Sonst ergeht es Ihnen wie einem mei-
dann zu »Hier bin ich Mensch, hier kauf ich ein«.
der renommierten Adresse »Unter den Linden« in Berlin niedergelas-
die einst als Internet-Start-up begonnen haben, jetzt dazu überge-
© Detlef Göckeritz © Detlef Göckeritz IB Was gab den Anlass, umzuschwenken? ner Neffen. Er war früher fast kugelrund und nahm mit 20 so richtig hen, Ladenlokale anzumieten? sen, der Suchmaschinen-Riese Google hat im vergangenen Septem-
ber ein Shop-in-Shop-Konzept an der Hamburger Mönckebergstraße
ab. Als er stolz in die Kneipe kam, haben ihn selbst seine Freunde
realisiert. Und die kalifornische Computer-Schmiede Apple macht
Ein Beispiel ist das Unternehmen »mymuesli«, das in diesem Jahr
Es war eine konstruktive Unzufriedenheit mit dem alten Slogan (lacht).
auf dem Neujahrsempfang des GCSC in Frankfurt mit dem Innovati-
nicht mehr erkannt. So etwas kann einem mit dem »Outfit« eines
vor, wie das Store-Erlebnis sogar zum Massen-Event werden kann:
onspreis in der Kategorie Handel ausgezeichnet wurde. mymuesli
Bei jeder Neueröffnung campieren die Fans vor dem Laden. So war es
Manchmal schauen Sie in den Spiegel und sagen sich: »Verdammt, ich
Handelsunternehmens auch passieren.
begann 2007 als reiner Online-Shop. Die »Firmenzentrale« war zu
auch beim Apple-Start im neuen Düsseldorfer Kö-Bogen zu beobach-
Nieselregen fast 18 Stunden vor dem Store aus. Mit ihm warteten am
ternehmen sein Müsli europaweit – und hat den Schritt aus der vir-
GCM 2 / 2014 GCM 2 / 2014 © Messe Düsseldorf, Tillmann Anfang noch eine Studenten-WG in Passau. Heute verschickt das Un- ten: Der 16-jährige Schüler Maksym Trilenkko harrte trotz Kälte und
Ende Hunderte auf den Startschuss. Kaufen wollte er eigentlich gar
tuellen in die reale Einkaufswelt gewagt. Der erste Laden öffnete
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14 Unternehmer ändern sich, Manager machen weiter, wie gewohnt 42 Fließende Grenzen
innenstadt marktplatz – advertorial
62 Entwicklungsdynamik der Leipziger Innenstadt und 78 Agentur Randolph Hopp
Integration der Höfe am Brühl 79 Agentur Fashion Time International GmbH
80 PayLife Bank GmbH
recht und gesetz
66 Großflächiger Einzelhandel und Atypik gcsc mitglieder
(§ 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO) 82 Mitgliederverzeichnis
68 Promotionaktionen im Shopping Center 86 Neue Mitglieder im GCSC
87 Aufnahmeantrag
center
70 Center Eröffnungen Deutschland 2014 – 2018
74 Center Umstrukturierungen Deutschland
international
76 Netzwerk Europa
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