Page 8 - German Council Magazin 01.2023
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GERMAN COUNCIL . RESILIENZ
kühlen, so die Psychologin. „Sich um das persönliche
Wohlergehen zu kümmern, ist in Zeiten wie diesen über-
aus wichtig“, meint Karin Clemens. „Bewegung oder be-
wusstes Atmen können unterstützen, Anspannung zu lö- © Pixabay / Jill Wellington
sen. Sich ablenken ist gut. Oder in die Aktion gehen – bei
Konfliktgesprächen mit Freunden oder der Familie bei-
spielsweise.“
NACH DEM SCHOCK DIE BELASTUNG
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Human Pro-
tect wenden bei ihren Einsätzen unterschiedliche Metho-
den an. „Zunächst einmal geht’s darum, die traumatisier-
te Person – Opfer oder Augenzeugen – mit Stabilisie- Auf unsere Bedürfnisse zu achten, bringt uns durch
rungstechniken zu beruhigen. Sie sind nicht krank im schwere Phasen.
wörtlichen Sinne, aber belastet und im Ausnahmezu-
stand.“ Erste Hilfe leisten übrigens meist die Feuerwehr,
Peers oder berufsverwandte Gruppen. Unter anderem
über die Berufsgenossenschaften kommt dann Human fallpsychologen auf der Stelle heraus und unterstützen bei
Protect ins Spiel. der Vermittlung in adäquate Behandlung. Menschen mit
mittlerem oder geringem Risiko erhalten selbstverständ-
„Am dringlichsten ist, umgehend eine Risikoeinschät- lich ebenfalls Begleitung – am Arbeitsplatz oder zuhause,
zung vorzunehmen. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit denn nach der ersten Schock-Reaktion können auch noch
einer Trauma-Folgeerkrankung, welche Personen in der nachfolgend starke Belastungsreaktionen auftreten.
Gruppe sind die riskiertesten– diese Faktoren schätzen
wir ab und bieten dann sofort entsprechende Hilfe an, DIE MENSCHEN SIND ERSCHÖPFT
zum Beispiel durch engmaschige Nachsorge und Vermitt-
lung von Beruhigungs- und Distanzierungstechniken.“ Doch auch Menschen, die nicht von Traumata betroffen
Gerade die Hochrisikopersonen kristallisieren die Not- sind, fühlen sich oft schlecht. Laut Statistischem Bundes-
amt hat sich das Arbeitsunfähigkeitsvolumen aufgrund
von Depressionen und Burn-Out seit dem Jahr 2000
mehr als verdoppelt. „Corona hat nach Erkenntnissen
aktueller Studien weltweit einen Anstieg von Depressio-
© Pixabay / Danielle Tunstall läutert Karin Clemens. „Generell herrschen in unserer
nen und Angststörungen um 25 Prozent verursacht“, er-
Leistungsgesellschaft ein hohes Tempo und eine hohe Ar-
beitsdichte – das erfordert mehr Anpassungsmechanis-
men und führt dazu, dass Menschen häufig über ihre ei-
genen Grenzen hinaus gehen. Durch die derzeitigen Kri-
sen scheinen die Menschen immer erschöpfter zu werden.
So habe ich mich während der Pandemie oft gefragt, wie
Eltern Home-Office, Home-Schooling und viele weitere
Aufgaben unter einen Hut bringen – zusätzlich zur Furcht
vor Erkrankung. Dass solche Konstellationen jede Menge
Kraft kosten, liegt auf der Hand, und die Folgen sehen
wir jetzt.“
LERNEN VON KLEINEN KINDERN
Und an dieser Stelle kommt sie wieder auf die Selbstfür-
Umweltkatastrophen, Krieg, Terror – da gilt es, Resilienz aufzubauen. sorge zurück. „Betroffene sollten sich auf ihre Bedürfnis-
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