Page 10 - German Council Magazin 03.2019
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GERMAN COUNCIL . TRANSFORMATION
Revolutionäres Quartett 430 PS starken Mercedes-Rennwagen vom
Typ W 154, die in jenem Jahr mit ihren schim-
mernden Aluminium-Karossen als »Silberpfei-
Mit Visionen und Wagemut haben der Deutsche Herbert Eklöh le« den Motorsport dominieren.
und die US-Amerikaner Vincent Astor, Clarence Saunders und Einzukaufen, Lebensmittel und die übrigen
Charles M. Stack im vergangenen Jahrhundert den Einzelhandel Dinge des täglichen Bedarfs zu besorgen, von
radikal verändert. Sie sind die Motoren der Transformation von Seife bis hin zu Putzmitteln, das ist in dieser
Zeit für die Menschen mehr Last als Belusti-
kleinen Ladengeschäften hin zu modernen Supermärkten mit gung. Es bedeutet für die Kunden vor allem
Selbstbedienungskassen und Internetshops Warten. Sie müssen vor dem Tresen in der
Schlange stehen, bis sie endlich an der Reihe
sind. Haben sie irgend etwas nicht auf ihrem
Einkaufszettel notiert, müssen sie noch ein-
mal wiederkommen. Denn die Geschäfte prä-
250 Quadratmeter Verkaufsfläche, zehn Ab- Die Kunden müssen sich nicht länger in einer sentieren nicht ihr gesamtes Sortiment; die
teilungen, Ein- und Ausgang sind getrennt: Schlange vor dem Tresen einreihen, um nach- meisten Waren sind in hinteren Räumen oder
1938, die Weltwirtschaftskrise ist endlich einander ihre Einkaufswünsche den Verkäufe- unter dem Tresen verborgen. Wer nicht genau
überwunden, wagt Herbert Eklöh, Einzelhänd- rinnen mitzuteilen. Sie können einfach durch weiß, was er will, wird nicht darauf aufmerk-
ler in fünfter Generation, in Osnabrück ein Ex- die Gassen zwischen den Regalreihen gehen sam gemacht, was er vielleicht noch gebrau-
periment, das eine Dekade später das Ein- und all jene Waren in ihre Einkaufskörbe le- chen könnte.
kaufsverhalten der Deutschen nachhaltig ver- gen, die sie erstehen wollen. Direkt vor dem
ändern wird. Am Jürgensort 6, Mitten im Zen- Ausgang warten zwei Kassiererinnen an Ti- Eklöh will das ändern. Einkaufen soll schnell
trum der Stadt am Teutoburger Wald, eröffnet schen, die die Preise der erworbenen Waren und effizient werden. Indem er die Produkte
der Unternehmer den ersten Lebensmittel- flink addieren. Geld wechselt die Hände. Ein- breit gefächert in den Regalen zur Schau
Selbstbedienungsladen Europas – den Vor- kaufen, so scheint es für Menschen in Osna- stellt, sehen Kunden, was es alles gibt. Was
läufer des modernen Supermarkts. brück, ist fast so schnell geworden wie die auf dem Einkaufszettel fehlt, wird ihnen so in
Erinnerung gebracht – und mancher von ih-
nen auch zu Spontankäufen verführt. Um sei-
ne Vision zu realisieren, muss der Pionier
© commons.wikipedia.org Neuland betreten: Die Regale und die großen
Einkaufskörbe lässt der Unternehmer extra
anfertigen. Weil es vorverpackte Waren zu
diesem Zeitpunkt in Europa noch nicht gibt,
müssen Erzeuger überredet werden, ihre Pro-
dukte in Behältnisse in konsumentenfreundli-
cher Größe abzufüllen. Und den Kunden
muss die neue Einkaufsidee über Werbung
nahegebracht werden.
Herbert Eklöh Vincent Astor Clarence Saunders Charles M. Stack Rabatt-Kultur stammt aus den USA
Es ist nicht das erste unternehmerische Wag-
nis Eklöhs. 1928, 23 Jahre jung, öffnet der ei-
© Fæ – commons.wikipedia.org tige Bochumer in Gummersbach sein erstes
ner Kaufmannsfamilie entstammende gebür-
Lebensmittelgeschäft mit väterlicher Unter-
stützung. Seine damalige Idee: Durch Groß-
einkäufe erzielte Rabatte direkt an die Kunden
weitergeben. Sein Werbeslogan: »Eklöh ver-
sorgt Gummersbach zu Großstadtpreisen!«
Das Konzept geht auf. »Die Gummersbacher
dankten mir durch fleißige Einkäufe«, schil-
dert Eklöh im Juni 1964 der Zeit-Reporterin
Ingeborg Haase in einem Rückblick seine frü-
hen Jahre als innovativer Kaufmann.
Der »Astor Market« am New Yorker Broadway
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