German Council Magazin 03.2018 - page 8

GCM 3/2018
GERMAN COUNCIL . AT-TRAC-TION
rasen. »Der Adrenalin-Sucher ist leicht gelang-
weilt«, erläutert der Sportprofessor Tim Wood-
man von der Bangor University in der gleich-
namigen Stadt im Norden Wales. »Er kann
nicht einfach herumliegen – er muss etwas er-
leben.« Entweder, indem er selbst aktiv ist –
oder, indem er sich unterhalten lässt.
Gladiatoren und Komdianten
Dabei sieht Unterhaltung zu allen Zeiten
durchaus unterschiedlich aus. Nicht alle Men-
schen sind beispielsweise in der Antike davon
begeistert, Sportlern bei Wettkämpfen oder
gar Gladiatoren beim Todeskampf zuzusehen.
So mancher Zeitgenosse sucht feingeistigere
Zerstreuung. Bereits im alten Griechenland
entstehen deshalb die ersten Theater, in denen
Tragödien zur Unterhaltung aufgeführt wer-
den. Im römischen Imperium werden die Dar-
bietungen um die Komödie und die Fabel er-
weitert. Im Mittelalter lebt das Theater in den
Mirakelspielen fort, in denen Schauspieler Le-
genden aus dem Leben von Heiligen nachspie-
len. In der Renaissance lassen sich italienische
Fürsten an ihren Höfen von Komödianten un-
terhalten. In Großbritannien formt um 1592
William Shakespeare eine Theatertruppe und
inszeniert seine Dramen, Romanzen und Erhei-
terungen vor zahlendem Publikum.
Das 20. Jahrhundert schließlich führt Theater
und Zirkus in der neuen Attraktion des Kinos zu-
sammen. Seine bewegten Bilder erlauben es
den Menschen im Saal gemeinsam dem Helden
bei der Jagd auf Schurken zuzusehen, sich in
Abenteuer vergangener Zeiten oder in fantasti-
sche Zukunftsvisionen zu flüchten. Bald sind es
schreibt das Zeichen der Findigkeit der Mauren
zu. Nachdem diese 711 mit der Eroberung der
iberischen Halbinsel begannen, nutzten sie die
Ligatur, um damit mit Wein und Olivenöl ge-
füllte Fässer zu kennzeichnen.
Deutsche Juristen hingegen, obwohl mit der
lateinischen Sprache vertraut, verwendeten
die Ligatur zeitweise in einer völlig anderen als
ihrer ursprünglichen Bedeutung. In Akten des
1495 von Kaiser Maximilian I. gegründeten
Reichskammergerichts, dem obersten Richter-
gremium des Heiligen Römischen Reiches,
wird das Zeichen in Bedeutung des Wortes
»contra« genutzt. Zwei vor Gericht streitende
Parteien werden in den Unterlagen durch das
Symbol getrennt gelistet: Müller @ Müller. Die
in der Bedeutung falsche Verwendung des Zei-
chens allerdings setzt sich nicht durch. Nach
einigen Jahrhunderten schläft die Nutzung des
@ als Sinnbild für den Begriff »contra« wieder
ein. Was bis heute bleibt, ist die Verwendung
des Symbols in seinem korrekten Sinn – auch
wenn heute mit ihm nicht mehr Weinfässer ih-
rem Besitzer, sondern Email-Adressen ihrem
Inhaber zugeordnet werden.
Ein Beitrag von
Richard Haimann,
freier Journalist
auch Unternehmen, die die Macht bewegter Bil-
der nutzen, um für ihre Produkte zu werben –
erst im Kino, dann im Fernsehen, über das sich
mit einem Spot Millionen Zuschauer erreichen
lassen, und schließlich im jüngsten Medium der
Geschichte – dem Internet.
Das Zeichen @ ist fast tausend
Jahre alt
Mit dem vom britischen Physiker Tim Berners-
Lee entwickelten und 1989 in Betrieb gegange-
nen weltweiten Datennetz gewinnt ein weiteres
Symbol globale Bedeutung: das @. Der um-
gangssprachlich auch Affenschaukel oder Klam-
meraffe bezeichnete Bedeutungsträger ist der
entscheidende Bestandteil von E-Mail-Adressen,
weil er die Zuordnung eines Nutzernamens zu
einem Serviceanbieter möglich macht.
Doch mit dem Internet wurde das @ keines-
wegs geboren. Genutzt wurde das Zeichen be-
reits vor fast tausend Jahren – als Ligatur, als
handschriftliche Verschmelzung der Buchsta-
ben A und D. Es ist ein Kürzel für den lateini-
schen Begriff »ad trahere« – zu deutsch: »zu
sich hinziehen«. Über die Entstehung gibt es
mehrere Theorien. Eine besagt, dass Mönche
es entwickelten, um beim Transkript biblischer
Manuskripte Zeit und kostbare Tinte zu spa-
ren, in dem sie das Symbol anstelle des lateini-
schen Wortes ad verwendeten. Eine andere
Möglicherweise die Erfinder der Ligatur @: Mönche im Skriptorium verschmelzen handschriftlich die Buchstaben A und D
© John Jabez Edwin Mayall / commons.wikimedia.org
William Shakespeare (1609)
© Paris – commons.wikimedia.org
1,2,3,4,5,6,7 9,10,11,12,13,14,15,16,17,18,...92
Powered by FlippingBook