German Council Magazin 03.2018 - page 7

GCM 3/2018
GERMAN COUNCIL . AT-TRAC-TION
Schärfe ihrer Kurzschwerter – dem Gladius. Da-
mit kein Schmied schlechte Waffen liefert, wer-
den sie verpflichtet, jeden Gladius mit einem
Symbol zu versehen, das zeigt, in welcher
Werkstatt er geschaffen wurde.
Was ursprünglich als Kontrollinstrument ge-
dacht war, wird für die besten Schmiede
schnell zum Markenzeichen. Wer eine Quali-
tätswaffe will, achtet beim Kauf darauf, dass
sie das richtige Signet trägt. Die Gravierungen
werden zur ersten Trademark – und bald auch
zum Symbol des Handels schlechthin. Denn
auch Händler beginnen ihre Säcke, in denen
Lebensmittel – vom Weizen über Äpfel bis hin
zum Salz verpackt sind – mit einem Etikett zu
versehen.
Was vor mehr als 2.000 Jahren seinen Anfang
nimmt, wird bis in die heutige Zeit praktiziert.
Als das römische Imperium zerfällt, etikettie-
ren die Händler ihre Waren dennoch weiter.
Die Handwerker tun es ihnen gleich – und
zwar nicht nur die Schmiede. Alle, die etwas
Besonderes erschaffen, versehen ihre Produk-
te mit einem klaren Erkennungszeichen. Auf
den Balken jahrhundertealter Fachwerkhäuser
und den Gemäuern der Kirchen und Kathedra-
len sind die Signets der alten Baummeister bis
heute tief in das Holz oder den Stein gekerbt.
Es sind die frühen Vorläufer heutiger Trade-
mark-Symbole wie dem ®, dem Kürzel für den
Begriff »eingetragene Handelsmarke«.
Essen, Schlaf, Sicherheit – und dann
ab ins Vergngen
Und auch die Kraft der Attraktion vergeht
nicht. Aus den römischen Circus-Spielen wer-
den im Mittelalter die Wandermenagerien, die
von Stadt zu Stadt ziehen, um Menschen exoti-
sche Tiere zu präsentieren und sie mit der im-
mensen Kraft von Eisenbiegern und den pro-
phetischen Gaben von Wahrsagern zu unter-
halten. Im 18. Jahrhundert formt der Brite Phi-
lip Astley daraus die Urform des klassischen
Zirkus' – mit Pferdedressuren und artistischen
Darbietungen unter dem schützenden Dach ei-
nes Kuppelzelts.
Die Lust an der Unterhaltung zieht die Men-
schen bis in moderne Zeiten in ihren Bann.
Weshalb das so ist, erklärt schon 1943 der US-
Psychologe Abraham Maslow, Gründervater
der Humanistischen Psychologie, mit seiner
Bedürfnispyramide. Geht es in der ersten der
fünf Bedürfnisebenen um die Befriedigung
elementarster Existenzvoraussetzungen – um
Nahrung und Schlaf – und in der zweiten Stufe
um die Sicherheit des eigenen Lebens, verortet
der Professor der University of New York schon
auf der dritten Ebene die sozialen Bedürfnisse:
den Austausch mit anderen Menschen, das ge-
meinsame Erleben, die Entspannung bei Dar-
bietungen Dritter. Kurz: die Suche nach Zer-
streuung in der Attraktion.
Haben die Menschen zu essen, ein Dach über
dem Kopf und sind sicher vor Feinden, »so ent-
stehen die sozialen Bedürfnisse«, erkennt
© Houghton Library, Harvard University / commons.wikimedia.org
Maslow. Erst darüber siedelt der Wissenschaft-
ler die Wünsche nach Anerkennung und Wert-
schätzung und schließlich, auf der fünften Ebe-
ne, den zur Selbstverwirklichung an.
Adrenalin-Junkies langweilen
sich schnell
Es sind das Hormon Adrenalin und der Boten-
stoff Dopamin, die das Gehirn ausschüttet,
wenn Menschen sich im Sport messen – oder
anderen dabei zusehen und wetteifern, wer
wohl der Sieger sein wird. In prähistorischer
Zeit sichern diese Katecholamine genannten
körpereigenen Substanzen unseren Vorfahren
das Überleben. Adrenalin lässt das Herz schnel-
ler schlagen, strafft die Muskulatur und erhöht
den Blutzuckerspiegel. Dopamin steigert den
Blutdruck und verhindert, dass ein verletzter
Körper in einen Schockzustand verharrt. Beide
Stoffe zusammen befähigen den Steinzeitmen-
schen, die gewaltigen Mammuts zu erlegen
und dem Säbelzahntiger zu entkommen, wenn
er Jagd auf sie macht.
Beide Stoffe können, als körpereigene Drogen,
auch süchtig machen. Vom »Adrenalin-Junkie«
sprechen Psychologen, wenn Menschen in ih-
rer Freizeit sich an Bungee-Seilen von hohen
Brücken in tiefe Schluchten stürzen oder rasant
mit Mountainbikes steile Bergpfade hinunter-
Astley's Royal Ampitheatre in London um etwa 1808
© the Jane Centre – commons.wikimedia.org
Philip Astley, Begründer des modernen Zirkus'
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